Vielfalt

Öffentlich-Private-Partnerschaft – Ein Modell zu Lasten der Zukunft

 faustwiese
“Faustwiese” in Linden-Nord, größte Grünfläche des Stadtteils. Hier soll ein ÖPP-Kindergarten entstehen
In Linden, wie auch in anderen Stadtteilen Hannovers, sollen ein Familienzentrum und eine Kindertagesstätte gebaut werden. Ein löbliches Vorhaben, weil die Geburten in Hannover wieder deutlich zunimmt.
Was allerdings nur im Nebensatz zur Sprache kommt: Die Neubauten in der Walter-Ballhause-Straße und in der Hohen Straße sollen von privaten Firmen gebaut und verwaltet werden. Das Ganze nennt sich Öffentlich-Private-Partnerschaft ÖPP und ist ein eingeübtes Modell.
Drei Vorteile verspricht ÖPP. Es soll die öffentliche Verwaltung entlasten, es soll Zeit und schließlich vor allem Kosten sparen. Alle drei vermeintlichen Vorteile sind inzwischen zu Kostenfallen für die öffentliche Hand geworden.
Eine Entlastung der Verwaltung findet erst einmal tatsächlich statt. Denn der private Partner übernimmt die Aufgaben, mit der vorher die Mitarbeiter/innen der Verwaltung betraut waren. Allerdings führt das Outsourcing von Aufgaben zu einer schleichenden Ausdünnung der Personaldecke, in Zeiten knapper Kassen durchaus ein vermeintlicher Vorteil. In der Summe produziert der eingesparte Vorteil aber in der Zukunft Mehrkosten. So entstehen verdeckte Kosten wie Baumängel mangels ausreichender Kontrolle, ungeplante Bau- und Betriebsnebenkosten, Qualitätseinbußen etc.
Und auch der angestrebte zeitliche Vorteil wird in der Praxis durch zeitaufwändige Planung und Vertragsgestaltung und deren Überwachung wieder relativiert. In Eile entstehen manipulationsanfällige Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und Vertragslücken.
Durch schlechtere Konditionen privater Unternehmen am Kreditmarkt, Umgehung von Baustandards, Gewinnerwartungen und Insolvenzrisiken steigen verdeckte Kosten, die in Vergleichsrechnungen nicht erfasst werden, in der Gesamtbilanz aber ÖPP stärker verteuern, als es die Gutachten ausweisen.
Dazu kommen nicht selten Lohndumping, die Umgehung von Tariftreuegesetz und steuerbegünstigte Firmenauslagerungen, die Kaufkraft und Steueraufkommen entziehen.
Jüngst ist in Hannover durch offensichtlich kriminelle Machenschaften das ÖPP-Projekt Misburger Bad geplatzt. Die privaten Betreiber hatten, um Kosten einzusparen, Löcher in das Tragwerk des öffentlichen Bades geschlitzt. Das Bauwerk ist als nicht mehr nutzbare Ruine in die öffentliche Hand zurückgekehrt. 11,3 Millionen Euro hatte die ruinöse Sanierung 2007 die Kommune gekostet. Das Geld und das Schwimmbad sind hinüber. Auch in Rostock ist die private Gewinnerwartung beim in ÖPP gebauten Warnow-Tunnel nicht aufgegangen und der Tunnel konnte nur mit öffentlichen Zuschüsse weiterbetrieben werden. In anderen Fällen weichen Autobahnen auf, riskante nachträgliche Bürgschaften werden fällig oder statt 40 Prozent Einsparungen sind 28 Prozent Mehrkosten entstanden, wie geschehen bei dem Bau der A1 zwischen Bremen und Buchholz.
Nach schwerwiegenden Bedenken des Landesrechnungshofes hat sich beispielsweise Sachsen-Anhalt von ÖPP verabschiedet. Selbst bei kleineren Projekten zahlt die Kommune mehr, als wenn sie in Eigenregie bauen würde. Ein Bericht des britischen Unterhauses hat dazu geführt, dass selbst im Mutterland des ÖPP eine Abwendung stattfindet. Vor allem die Umgehung der Schuldenbremse wird kritisiert. Tatsächlich fallen die Kosten nicht sofort an, sondern werden in die Zukunft geschoben. Für Kommunen, denen die Kommunalaufsicht Investitionen verbietet, ein verlockender Deal.
Im Fall der Kindertagesstätten in Linden gibt die Verwaltung nach mündlichem Bekunden in der Bezirksratssitzung Linden-Limmer im November 2015 zu bedenken, dass sie personell gar nicht in der Lage sei, Kindertagesstätten mit Bordpersonal zu bewerkstelligen. Hier schließt sich der Kreis. Die Kommune hat soweit ausgesourct, dass sie jetzt im ÖPP gefangen ist. Ausgerechnet in einer Phase der wachsenden Stadt ist die Verwaltung nicht mehr eigenständig handlungsfähig. In einer Stadt, die in den letzten drei Jahren um vier Prozent an Bevölkerung zugelegt hat, bedarf es eines Umdenkens. Mehr Personal, eigene Investitionen und gerne auch eigene Rendite. Denn die bringt der eigenständig durchgeführte kommunale Bau eines Kindergartens im mehrfachen Sinne: Ein bleibender Sachwert in eigener Hand und eine Investition in die Kinder unserer Stadt. Lassen wir unsere Kinder nicht die Rechnung dafür zahlen.