Die Ihme – ein Naturraum für den Sport und das Badevergnügen
Das große öffentliche Interesse an der Idee, die Ihme in Höhe des Sportparks zu renaturieren und dabei gleichzeitig zwei Badestellen zu schaffen, hat zwei Fragen nach sich gezogen. Wie verhält es sich mit Interessenskonflikten und wie sah die Ihme eigentlich früher aus?
Interessenskonflikte sind fester Bestandteil jeder Idee, die auf Veränderung städtischen Raums zielt. Für Rudervereine sind kanalisierte Flüsse gute Trainingsgebiete, für den Hochwasserschutz ist ein geschwungener Flusslauf sehr viel besser.
Die Umsetzungsidee einer Renaturierung mit Badestellen bezieht sich auf ein Teilstück der Ihme an der Lodemannbrücke von weniger als 500 Meter Länge. Allein der Deutsche Ruder Club beansprucht für sich vier Kilometer Ruderstrecke. Als 2006 das Flussbaden in der Leine an der Steigerthalstraße ermöglicht wurde, war das Badevergnügen innerhalb weniger Tage beendet, weil der Wasserskiverein seine Rechte einforderte. Wasserski wird zwar kaum noch gefahren, aber das Flussbaden ist trotz der großen Resonanz nicht wieder eingerichtet worden. Jetzt beschweren sich zwei Rudervereine über die Renaturierungsidee und sehen das Ende ihres Sports gekommen. Sie sehen seit einigen Jahren vor allem in der freien Paddelszene die große Konkurrenz und haben Sorge, dass es mit Badenden nun noch schlimmer wird. Wer genau hinschaut, sieht allerdings, dass nach unserer Ideenskizze die Ihme um 15 Meter aufgeweitet werden soll, so dass mehr statt weniger Platz auf dem Wasser entsteht. Der Schwimmbereich könnte auch mit Bojen abgegrenzt werden, so wie das in anderen Städten auch gemacht wird.
Damit haben Badende, Individualsport und Vereinssport gemeinsam und abgegrenzt voneinander genug Platz.
Wer noch genauer hinschaut, erkennt, dass die Kanalisierung der Ihme der Ausnahmezustand ist und die Ihme über Jahrhunderte in Hannover ganz anders und viel intensiver als heute genutzt wurde.
Die Ihme war zwischen Schnellem Graben und Leine bis 1934 ein geschwungener Fluss mit mehreren Mäandern und großen Überschwemmungswiesen. Der größte Bogen reichte bis zum heutigen Haupteingang des Schützenplatzes, an dem immer noch ein Denkmal an den Bademeister Schrader der gleichnamigen Badeanstalt steht.
Die Schradersche Badeanstalt befand sich vor den Toren Hannovers auf den Auewiesen der Altstädter Ohe. Dort wurde bei Ottos Bleiche Wäsche gebleicht, am Wasser Sport betrieben und Freizeit genossen. Gegenüber befanden sich die Wiesen der Lindener Ohe, an deren nördlichem Flussufer sich im Norden im 19. und 20. Jahrhundert Industrie ansiedelte.
Reisen war noch keine Massenware und allein in Linden lebten 1920 rund 80.000 Menschen. Vier Flussbadeanstalten säumten hier die Ihme auf beiden Seiten seit dem 19. Jahrhundert. Auf der hannöverschen Seite lag das Familienbad Faber und das Familienbad Schrader. Daneben ein Männerbad mit Sprungturm, das mit einer Holzbrücke mit der Lindener Seite verbunden war. Dort lag das Luftbad Paradies mit hölzernen Umkleidekabinen. Daneben der Ruderclub HRC, der später zum Maschsee umzog. Luftbäder waren beliebt, denn nicht alle Menschen konnten schwimmen, wollten aber am Wasserlauf ihre Freizeit genießen.
Mehrere Badestellen wurden dann in den 1920er Jahren zu den Flussbadeanstalten Schröder zusammengefasst. Viele Kinder und auch Erwachsene lernten dort schwimmen. 1934 wurden an der Ihme 240.000 Badegäste gezählt.
Die Flussbadeanstalten waren damit ein fester Bestandteil des Lebens in der Stadt Hannover. Es wurden Umsätze erzielt, Biergärten und andere Gastronomie siedelten sich an.
1934 verlor die Ihme im Rahmen des Maschseebaus ihre Bedeutung. Der Fokus lag nun auf dem Maschsee und dem Sportpark als Ort der Freizeit und des Wassersports. Die Ihme wurde zur Geländegwinnung und zur Nutzung als Abwasserkanal für den Industriestandort Hannover und Umgebung kanalisiert und damit um 600 Meter verkürzt. Ich erinnere mich noch an die 1970er Jahre, als ich als Jugendlicher staunend die meterhohen Schaumberge wahrnahm, die die gesamte Ihme bedeckten. Dieses “Schauspiel” wurde durch das Abwasser der Papierfabrik in Alfeld hervorgerufen, das am Leinewehr am Schnellen Graben zu enormen Schaummassen aufgemischt wurde.
Ihme und Leine sind also immer schon der städtischen Entwicklung unterworfen gewesen. Selbst die Anlage des Schnellen Grabens im 15. Jahrhundert zum Hochwasserschutz der Stadt Hannover war ein Eingriff in das gesamte Wassersystem der Stadt.
Heute sind die Flüsse wieder sauberer geworden und Nutzungsänderungen sind in den letzten Jahren verstärkt zu beaobachten. Vor allem der Paddelsport hat zugenommen, aber auch mehr Freizeit wird an den Flussufern verbracht, vor allem junge Menschen zieht es an die Flüsse. Die Leinewelle am Landtag ist ein Pionier in dieser Entwicklung. Und es wird auch wieder gebadet. In Hannover noch verhalten, doch wer andere Städte beobachtet, ahnt, was sich auch bei uns noch entwickeln wird.
Den Prozess der neuen Nutzung unserer Flüsse zu begleiten und Maßnahmen flankierend zu ergreifen, sollte unsere Aufgabe sein. Einen Anstoß soll die Idee der Renaturierung, verbunden mit Flussbadestellen auf Höhe des Sportparks, beisteuern.
(zu den Badeanstalten vgl. Dieter Tasch: Wasser, Sport und Spaß, in: Waldemar R. Röhrbein 1986 [Hg.], Der Maschsee – Seine Entstehung und Geschichte, Hannover, S. 102-104).
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