Verkehr

Amtsgericht kapituliert und spricht Radfahrer schuldig

Ein junger Mann muss mit seinem Fahrrad auf die Fahrbahn ausweichen, da der Fahrradweg mit parkenden Fahrzeugen zugestellt ist. Der Fahrradweg sei schlecht, die Hindernisse gefährlich, er sei aber dennoch zu langsam für den motorisierten Verkehr gewesen, habe also die volle Schuld zu tragen.

Es geht im Grunde genommen um ein unwichtiges Bagatellverfahren um eine 25-Euro-Ordnungswidrigkeit, wie hundertfach jeden Monat am Amtsgericht verhandelt. Aber weshalb legt der Beschuldigte überhaupt Widerspruch ein, weshalb fühlt er sich so ungerecht behandelt, dass er die Mühen einer Gerichtsverhandlung auf sich nimmt? Er möchte als Radfahrer im Verkehrsgeschehen ernst genommen werden. Es ist ein bemerkenswerter Dialog, der sich dann zwischen Beschuldigtem und Richterin entspinnt, in dem die Richterin Verständnis für das Handeln des Radfahrers aufbringt. Gleichwohl entscheidet sie uneingeschränkt auf schuldig.

Zu Beginn der Verhandlung schildert der Mathematikstudent, der ohne Rechtsbeistand gekommen ist, detalliert anhand von Fotos und Zeichnungen, wie kein Durchkommen auf dem sowieso schon schmalen Fahrradweg war. Parkende Autos, sich öffnende Türen und Splitter von einem Glascontainer machten ihm die Fahrt auf dem als benutzungspflichtig eingestuften Radweg unmöglich. Er habe, wenn sich eine Autotür öffnet, eine fürchterliche Angst, Opfer eines Dooring-Unfalls zu werden und Gerichtsurteile haben Radfahrern eine Mitschuld zugewiesen, wenn sie keinen ausreichenden Abstand zu den Türen halten. Er habe daher beschlossen, auf die Fahrbahn zu wechseln. Lediglich der Fußweg hätte ansonsten als Ausweich zur Verfügung gestanden, dort hätte er nicht fahren wollen und auch nicht dürfen. Der Beschuldigte zitiert ein Gerichtsurteil des Landgerichts Oldenburg von 1952, das ihm die Fahrt auf der Straße erlaube, wenn der Radweg unzumutbar zugestellt sei. Das Ordnungsamt hätte ihm aber anders lautend zu verstehen gegeben, wenn es Hindernisse gäbe, sei er dennoch nicht berechtigt, die Fahrbahn zu nutzen. Dies widerspräche seinem berechtigten Wunsch, zügig zum Ziel zu kommen und auch dem Gerichtsurteil des Oberlandesgerichtes und verletze zudem sein Gerechtigkeitsempfinden, deshalb sei er hier.

Die Richterin versucht die Verteidigungsrede des Mannes abzukürzen, indem sie darauf verweist, für das Amtsgericht Hannover sei höchstens das Oberlandesgericht Celle maßgeblich und überhaupt müsse nun ein Zeuge gehört werden. Als Zeuge tritt ein Polizist auf, der mitteilt, der Angeklagte sei 700 Meter auf der Fahrbahn gefahren, habe den motorisierten Verkehr ausgebremst und sei zudem uneinsichtig gewesen. Die Richterin entlässt den Zeugen mit dem Hinweis, der Beschuldigte sei kein Angeklagter, es handele sich nur um ein Ordnungswidrigkeitsverfahren. Auch sei es doch wohl ärgerlich, dass in Hannover überall parkende Autos stünden, selbst die Stadtverwaltung würde die Radwege ignorieren und mit ihren Fahrzeugen zuparken. Eine Nachbarin sei durch solch einen Dooring-Unfall zu Tode gekommen, sie wisse, was Radverkehr in Hannover bedeute. Auch kenne sie die besagte Stelle an der Hildesheimer Straße, der Radweg sei viel zu schmal, verschwenkt und verbaut.

Hildeheimer Straße, Höhe Geibelstraße, Radwegbreite 1 Meter, Vorschrift der Regelbreite nach StVO 1,5 Meter

Gleichwohl dürfe der Beschuldigte der Radwegebenutzungspflicht wegen nicht einfach auf die Straße fahren, er solle sich lieber mit der Gesetzeslage beschäftigen. Radwege sind zu nutzen, damit der Verkehrsfluss der Autos nicht behindert wird. Zwar seien Teile seiner Einlassung nicht unbedingt falsch, er sei aber uneinsichtig. Man nenne das allgemeines Lebensrisiko. Er solle, wenn er Angst habe, beim nächsten mal absteigen und zu Fuß gehen oder durch den Stadtwald Eilenriede fahren. Auch sei es nunmal wichtiger, ordentlich zu studieren, als sich Tage lang mit langen Pamphleten und Fotodokumentationen auf eine Gerichtsverhandlung vorbereiten zu müssen. Er könne jetzt seine Einlassung zurücknehmen oder sie als Richterin würde ihres Amtes walten lassen und ihn für schuldig sprechen.

Der junge Mann hakt nochmals inhaltlich mit seiner Fotodokumentation nach, die Richterin untersagt ihm das der fortgeschrittenen Zeit wegen allerdings umgehend. Er solle sich nun entscheiden, es würde bei einem Urteil teuer für ihn werden, er habe dann die vollen Gerichtsgebühren zu entrichten. Der Student fühlt sich jetzt erst recht unangemessen behandelt und besteht auf eine faire und abschließende Verhandlung.

Also muss die Richterin den nächsten Zeugen hören, einen weiteren Polizisten, der mit dem ersten gemeinsam auf Streife war. Der Zeuge teilt mit,  er habe den Beschuldigten nicht überholen können und auch andere Fahrzeuge seien durch den langsamen Radfahrer an ihrer zügigen Fahrt behindert worden. Auf der vierspurigen Hildesheimer Straße sei Tempo 50 vorgesehen, das hätte ob des langsamen Radfahrers nicht erreicht werden können. Ja, auch er habe etliche Hindernisse auf dem Radweg wahrgenommen, doch mehrere andere Radfahrer hätten diese schließlich auch irgendwie umkurvt, ohne auf die Straße ausgewichen zu sein.

Auch ohne parkende Autos auf dem Radweg ähnelt die Hildesheimer Straße einem Hindernisparcour für Radfahrende. Hier eine dauerhafte Umleitung des Radweges um eine Bushaltestelle, Höhe Altenbekener Damm.

Die Aussage des Zeugen bestärkt nun den Beschuldigten in seiner Auffassung, rechtmäßig den blockierten Fahrradweg verlassen zu haben und er verweist auf ein Video, dass er mit seiner Dashcam vom Fahrverlauf aufgenommen habe und mit dem er das Gesagte des Zeugen bestärke könne. Die Richterin sorgt sich allerdings vor weiteren Monologen des Studenten und teilt mit, das Video bereits aus den Schriftsätzen zu kennen, es würde den jungen Mann nur noch mehr belasten, da das Beweismaterial deutlich mache, wie renitent er weit mehr als die von dem Zeugen angegebenen 700 Meter die Straße genutzt habe. Auch habe er nun genug Redeanteile gehabt und er solle nun die finale Entscheidung tätigen, um das unabwendbare Urteil in letzter Minute doch noch abzuwenden. Der Beschuldigte bleibt aber weiterhin stur und erkundigt sich nach seinen Revisionsmöglichkeiten. Diese seien erst ab einem Streitwert von über 50 Euro gegeben, sie sei jetzt durch, alle haben sich zu erheben, das Urteil sei eindeutig. Und dann verurteilt die Richterin im Namen des Volkes den uneinsichtigen Beschuldigten auf 25 Euro Bußgeld mit dem mahnenden Hinweis, sie mache sich große Sorgen um seine Zukunft.

Im Anschluss an die Verhandlung komme ich mit dem nun Verurteilten kurz ins Gespräch. Er sagt, er als Mathematiker habe dieses Urteil gewollt, allein schon, um im Sinne einer gleichsam mathematischen Ableitung belegen zu können, wie Menschen in ihr Unglück gezwungen werden. Er könne nun in einer möglichen zukünftigen Unfallsituation mit dem heutigen Schuldspruch die Unabwendbarkeit seines Tuns belegen.

Diese Logik erscheint mir erst einmal verblüffend, zielt sie doch auf ein zukünftiges tragisches Ereignis hin. In der Argumentation liegt aber, so meine ich, eine weitreichende, fast schon rechtsphilosophische Betrachtung der Unzulänglichkeit eines zu eng gefassten Normengefüges. In der Abwägung zwischen Gesetzestreue und der eigenen Unversehrtheit müsste es eigentlich gerechtfertigt sein, aus dem Rahmen der falschen Normen auszubrechen, den Fahrradweg trotz Benutzungspflicht im Gefahrenfall zu verlassen. Das unterstreiche ja auch das Urteil aus Oldenburg. Nicht er habe den Pfad der Tugend verlassen, sondern das Amtsgericht in seiner engen Auslegung nehme den Unfall billigend in Kauf und verhalte sich damit ungerecht und gefährdend für Leib und Leben, da es dem Auto als sowieso schon stärkerem Verkersteilnehmer auch noch in seiner Vorherrschaft Recht verschaffe. Nicht er als Radfahrer behindere den Verkehrsfluss, der Autoverkehr in Komplizenschaft mit der Rechtsprechung verhindere eine gerechte Verkehrsentfaltung aller Teilnehmer des Verkehrsgeschehens. Die Richterin zementiere wider besseren Wissens diesen Status quo, indem sie der geltenden Norm in einer von Autos geprägten Stadt eher folge, als sich eingehend mit der Materie auseinanderzusetzen, zumal Gerichte bereits anders geurteilt hätten. Sie, die in dieser Gerichtsverhandlung immer wieder von ihren persönlichen Erfahrungen bis hin zu dem fürchterlichen Unfalltod ihrer Nachberin berichtete, sähe nicht einmal ihren eigenen Spielraum als Amtsrichterin, den Sachverhalt auch anders auslegen zu können. Im Gegenteil, indem sie auf die Gefährlichkeit des Lebens an sich verweist, ordnet sie sich dem unabdingbaren Schicksal unter und unterlässt es, den Schwächeren eine Hoffnung auf Schutz zu vermitteln, was eigentlich eine ureigene Aufgabe von Gerichtsbarkeit darstellen sollte. Nein, sie sorge sich zynischer Weise mehr um die moralische Verfassung des Verurteilten als um die Unfälle auf Fahrradwegen.

Sicherlich aber hat der junge Mann die Möglichkeiten einer Richterin am Amtsgericht überschätzt. Immerhin hat sie mit der Schilderung ihrer eigenen Betroffenheit die ganze Tragik der Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht. Ansprechpartner für das Anliegen sind letztlich wir alle als Gesellschaft als Ganzes und unsere politischen Vertreter, die eine ungerechte Verteilung von Straßenraum zu Gunsten des motorisierten Individualverkehrs und die damit verbundenen schweren Unfälle und Todesfälle nach wie vor wie selbstverständlich hinnehmen. Viele junge Menschen haben heute einen anderen Blick auf die Bedeutung des Automobils und sehen enorme Potenziale in Verkehrsalternativen, Mikromobilität und Smartmobility. Daher Bedarf es nicht nur eines gesellschaftlichen Umdenkens sondern auch eines Umdenkens in der Rechtssprechung. Eine Forderung, die vor dem Hintergrund eines 70 Jahre alten Urteils des Landgerichts Oldenburg geradezu seltsam anmutet.

Wenn Recht zunehmend als ungerecht oder als Recht des Stärkeren empfunden wird, bricht der Konsens der gewaltengeteilten demokratischen Gesellschaft auseinander. Das soll angesichts eines Bagatellverfahrens nicht als überzogene pathetische Floskel verstanden werden, sondern als ein Beispiel, wie erzieherische Maßregelung mittels eines Bußgeldes dann in ihr Gegenteil umschlägt, wenn der Strafe mangels Erkenntnis keine Einsicht folgen kann. Es braucht daher eine Anpassung der Normen an die Bedürfnisse der Gesellschaft. Immer mehr Menschen außerhalb der Autowelt bemerken, dass ihre Wege schlecht und zugestellt sind.

Die Hildesheimer Straße steht zwar für die frühe Anstrengung der Stadtpolitik, im Zuge des U-Bahn-Baus der 1980er Jahre überhaupt Fahrradwege im Straßenraum zu schaffen. Diese nördlich des Altenbekener Damms vor allem stadteinwärts kilometerlang nur 98 Zentimeter schmalen Fahrradstreifen sind zwischen Fußweg und Parkplätzen eingeklemmt und verschwenken im Bereich der U-Bahn-Stationen nahezu im rechten Winkel.

Heute, vierzig Jahre später, braucht es eine neue Verteilung des Straßenraums der immerhin mindestens 30 Meter breiten Straße. Natürlich wäre es möglich, von den vier Autospuren der Hildesheimer Straße zumindest stadteinwärts eine Spur dem Radverkehr zu geben. Parallel zur Hildesheimer Straße existiert ja noch ein vollständig fahrradfreier autobahnähnlicher Schnellweg, der ausreichend Kapazität aufweist.

Es gibt aber auch noch eine juristische Komponente des Verfahrens. Die Richterin kann nicht einfach behaupten, für sie sei nur das Oberlandesgericht Celle zuständig, Oldenburg von 1952 interessiere sie nicht. Es geht letztlich bei der Straßenverkehrsordnung um Bundesrecht und nicht um eine Lex Hannover, in der Autos mehr Rechte auf eine freie Fahrt mit 50 Stundenkilometern haben als in Oldenburg. Auch hat das Oberlandesgericht Celle 2001 zum Schutze der Fußgänger geurteilt, man dürfe nicht einmal mit dem Radlenker in den Hoheitsraum des Fußweges eindringen. Insofern hat der junge Mathematikstudent den Radweg konsequenter Weise Richtung Autofahrbahn verlassen.

Das blaue Verkehrsschild weist eine Radwegebenutzungspflicht aus und zwingt Radfahrende auf den Radweg. Die StVO sieht die Nutzung der Fahrbahn als Regelfall vor und gestattet die Benutzungspflicht nur in Ausnahmefällen.

Vielleicht wäre ein rechtlicher Beistand doch sinnvoll gewesen. Das Recht auf freie Weiterfahrt des Radfahrers hätte ein Rechtsanwalt sicherlich in dem Moment vorgebracht, als die Richterin den Weg durch die Eilenriede vorschlug, die immerhin zwei Kilometer von dem Ort entfernt liegt, an dem die Polizei den jungen Mann aufgriff. Ein Rechtsbeistand würde sicherlich auch einen Gang in die nächste Instanz empfehlen, auch bei Bagatelldelikten kann auf Prüfung hin die Revision eingeschlagen werden.

Auch wäre es Zeit für die Politik, sich des regelwidrigen und gefährlichen Radweges auf der Hildesheimer Straße anzunehmen. Immerhin will inzwischen selbst die Rats-CDU 10 Millionen Euro jährlich zusätzlich in den Radverkehr pumpen. Die Hildesheimer Straße wäre als wichtige Achse in die Innenstadt Hannovers dafür mehr als geeignet.

Wer den jungen Mathematiker bei einem Revisionsverfahren unterstützen möchte, kann sich gerne an mich wenden. Ich halte zu ihm Kontakt und habe mich mit 25 Euro in der ersten Instanz beteiligt. Im übrigen sind die Gerichte frei zugängig und als Theaterersatz in Corona-Zeiten ausgesprochen geeignet.

Nachtrag Urteilsveröffentlichung:

45 Kommentare

  • Achim Weiss

    Es war vermutlich keine gute Idee des Studenten, daß er ohne Rechtsbeistand (und ohne den richtigen Rechtsbeistand) vor Gericht gegangen ist. Wenn man nicht ausgewiesener Stoiker ist, läßt man das besser bleiben. Zu leicht redet man sich vor Gericht selbst um Kopf und Kragen: Man selbst ist emotional beteiligt, die Richter sind Profis, die lenken den Prozeß schon so, wie sie es richtig finden.

    Ich nehme an, Du warst Zuschauer bei diesem Prozeß. Aus Deiner Schilderung heraus habe ich unbedingt den Eindruck, daß der Student zuviel geredet hat und insgesamt nicht cool genug war. Wie auch, wenn einen das Thema betrifft? Ich wäre es auch nicht gewesen, aber die Emotion verschlechtert halt die eigene Position.

    Ich habe die hannöversche Polizei in etlichen Fällen als ausgesprochen radfahrerfeindlich erlebt. Wer als Polizist die traurige Radwegsituation kennt, drückt ein Auge zu, wenn ein Radfahrer das Fahrbahnverbot mißachtet (zumal ein Fahrrad auf der Fahrbahn bei Licht besehen selten stört). Wer als Polizist den Radfahrer dann dennoch stellt, ist einer von der harten Sorte, es ist als Radfahrer dann ratsam, den armen Sünder vorzugeben.

    Der Richter signalisiert einem normalerweise schnell, in welche Richtung er seinen Ermessensspielraum zu nutzen beabsichtigt.

    Der betroffene Student wollte unbedingt ein Urteil, das hat er nun auch bekommen. Kann man es rechtlich überhaupt angehen?

    PS: Die 100 Millionen Euro, die selbst die Rats-CDU in den nächsten hundert Jahren in den hannöverschen Radverkehr stecken will, sind bei Licht besehen eine höchst übersichtliche Summe. Fairerweise sollte man anmerken, daß das nicht mehr ist als eine Million im ganzen Jahr für die ganze Stadt (also 2 Euro pro Bürger und Jahr), und damit ist im Tiefbau nicht besonders viel gewuppt.

    • Marcus

      Das Problem ist nicht, dass er sich um Kopf und Kragen geredet hat – denn seine Argumente sind stichhaltig und korrekt.

      Das Problem war, dass die Richterin Menschen ohne Rechtsbeistand nicht für voll nimmt und ihnen ständig das Wort abschneidet und sie nicht ausreden lässt. Sie ist eindeutig befangen und mit einem fertigen Urteil im Kopf in den Saal gegangen.

      In einem richtigen Rechtstaat hätte sich die Richterin um Kopf und Kragen geredet, meines Erachtens ist die Begründung, dass Radwege dafür da sind dass die Autos schneller fahren können Rechtsbeugung, denn das ist objektiv falsch. Benutzungspflichten sind zum Schutz der Radfahrer da, ist im Verwaltungsrecht eindeutig geregelt.

      • Achim Weiss

        Ok, dann eben so.

        Auch das habe ich ja in meinem ersten Kommentar angedeutet. Da ist auf der einen Seite ein armes Würstchen (nämlich der Student), der (zum eigenen Schaden) ohne Beistand in den Gerichtssaal gegangen ist, auf der anderen Seite eine Richterin, die mit fertigem Urteil in den Gerichtssaal geht, und zwei Polizisten, die es einem Radfahrer schon bei ihrer Anzeige so richtig zeigen wollten und nun im Gerichtssaal natürlich auch.

        Das hat man als Radfahrer keine Chance (und hätte das auch vorher wissen können).

        Der Studi ist die Sache falsch angegangen (bei aller Sympathie, die ich als Radfahrer für ihn als Radfahrer habe). Wenn man sich auf eine Kraftprobe mit der Staatsmacht einläßt, sollte man sich wappnen und nicht heldenhaft ohne Waffen in den Kampf ziehen.

        In ihrem Urteil zeigt die Richterin doch, wie einseitig sie ist. Ständig spricht sie von “Straße”, wenn sie eigentlich “Fahrbahn” meint, ständig spricht sie von “Verkehr”, wenn sie “Autoverkehr” meint. Auch der Radweg gehört zur “Straße”, und auch der Radverkehr zählt zum Verkehr.

        Dazu schreibt sie ungeschickterweise ins Urteil, daß der Student am besten zu Fuß gehen sollte, wenn ihm das Radfahren auf Radwegen zu gefährlich ist. Abgesehen von der tendenziösen Darstellung zeigt sie damit, daß sie mit der Rechtslage nicht vertraut ist: Wenn Radwege gefährlich sind, darf man als Radfahrer selbstverständlich auf die Fahrbahn ausweichen, und “der Verkehr”, hier in Form eines einzelnen Funkstreifenwagens muß das hinnehmen.

        Wenn ich auf einer Piste wie der Hildesheimer Straße mit dem Fahrrad fahre, zeigt der Tacho 35 km/h. Das ist keine ungewöhnlich geringe Geschwindigkeit auf einer Straße, in der 50 km/h erlaubt sind (zugegebenermaßen in der Regel über 60 km/h gefahren werden).

        Von absoluten Geschwindigkeiten steht im Urteil nichts, dabei sind die beiden Udels dem Studenten doch über hunderte Meter nachgefahren!

        Der langen Rede kurzer Sinn:
        Wer sein Recht sucht, darf nicht am Rechtsanwalt sparen, sonst braucht er es gleich gar nicht zu probieren. Ich an Stelle des Studenten hätte das Geld drangerückt. Der Studi mag das Geld nicht haben, dann aber muß er rechtzeitig um Hilfe bitten, die er in diesem Fall sicher bekommen hätte.

        Ich weiß nicht, ob rechtlich überhaupt eine Revision möglich ist, es könnte sein, daß nicht. Umso schwerer wöge das Versäumnis des Studis.

        Ok, dafür hat er vor Gericht ja auch erstklassig eine übergebraten bekommen.

    • Robert Merz

      Die CDU will 10 Millionen je Jahr dafür ausgeben. Es sind also 20 Euro für jeden 500.000 Einwohner.

      • Achim Weiss

        Nein. Es sollen in den nächsten 10 Jahren 10 Millionen für den Radverkehr ausgegeben werden. Für die ganze Stadt!

        Das wäre 1 Million pro Jahr.
        Für die ganze Stadt.

        Und weil jeder merkt, daß das nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein sein kann, hat man gesagt: “10 Millionen in 10 Jahren.”

        Streng genommen ist das noch weniger als 1 Million im Jahr, weil man ja problemlos in den ersten Jahren, in denen man noch nicht einmal 1 Million ausgeben wird (2 Euro pro Einwohner!), sagen kann, daß man diese Beträge in den Folgejahren nachholen kann. Erst in 10 Jahren wird man erkennen können, ob die Stadtpolitik jetzt fake news in die Welt gesetzt hat oder nicht.

        Ich glaube nicht, daß solche Gelder fließen werden. Einen solchen Betrag ist der hannöverschen Stadtverwaltung der Radverkehr nicht wert, in den aktuellen Corona-Zeiten ohnehin nicht, wo dem Staat die Steuern wegbrechen.

        Ich habe das ironisch überhöht, in dem ich von 100 Millionen (die ja wirklich ein ordentlicher Betrag wären) in 100 Jahren gesprochen habe. 100 Jahre sind ein Zeitraum, den kein Mensch überblicken kann, aber der Betrag wirkt so halt optisch größer.

  • Martin Illmann

    Ich habe den Beitrag mit großem Interesse gelesen und bin als Auch-Radfahrer natürlich maximal angefressen. Ersten frage ich mich, ob die Polizeibeamten vielleicht auch mal erwogen haben, sich mal um die Ursachen der Fahrbahnradelei des Studenten zu kümmern.

    Zum anderen Frage ich mich, was die Richterin für ein Rechtsverständnis hat. Während Autofahrer augenscheinlich ein Recht auf freie-Bahn-mit-Marzipan haben, sollen Radfahrer nach Hause gehen, wenn gerade kein Platz für sie übrig ist, oder wie? Für mich riecht das ein bisschen nach einer gebeugten Pi*Daumen-Rechtsprechung einer autofahrenden Richterin.

    Hier zeigt sich leider wieder, dass es noch ein verdammt langer Weg sein wird, bis das Fahrrad als echtes Verkehrsmittel betrachtet wird.

  • Andreas

    Wenigstens die Kommentare sind für farbschwache Augen des trotz allem geneigten Lesers gut lesbar. Der Text selber mit grauer Schrift auf grauem Grund…. eigtl unzumutbar.

    • Gardemin

      Ich hatte bereits einen ähnlichen Kommentar. Es scheint vor allem bei einigen Handys schlecht lesbar zu sein. Die Vorlage habe ich von WordPress und kann sie ohne für mich großen Aufwand nicht einfach so ändern. Zur Not copypaste in einen Editor. dann funktioniert’s.

      • wp-admin

        Im Customizer unter Zusätzliches CSS eintragen:

        body {text-shadow: none; color: black;}

      • Arno

        Zur Lesbarkeit von Texten hier:

        Man kann die Schriften durchaus ändern – einfach eine CSS-Regeln für body einfügen, die eine dunklere Farbe definiert:

        body {
        color: #000;
        }

        Das geht auch über die Theme-Anpassung in WordPress, ganz ohne Programmierung. Mir ist ohnehin unklar, wieso als Standard-Schriftfarbe #555 (dunkelgrau) verwendet wird und nicht schwarz.

      • Florian

        Danke für den Blogbeitrag und die enthaltene Einordnung.

        Ich möchte mich ebenfalls mit 25 € beteiligen, bitte meine E-Mail Adresse weiterleiten oder Bankdaten/Paypal/etc. zusenden.

  • B R

    Mich würde das Urteil interessieren. Gibt es das schriftlich oder zumindest ein Aktenzeichen?

  • Michael Sch.

    Die Welt braucht mehr solcher Helden- Menschen, die sich für die Belange einsetzen, die vor allen Schwächeren zu gute kommen. Ich hoffe, der Geschädigte geht in die nächste Instanz, dazu wäre es sinnvoll, ein Spendenkonto anzulegen, denn Recht bekommen ist ein Privileg von “Geld haben”.

    • Fritz Horsthemke

      Wir müssten eine Organisation analog zur deutschen Umwelthilfe gründen. Ziel gesetzliche Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer. Gemeinnützig, Spenden sammeln, vom Staat würden wir zusätzlich Förderung bekommen. Rechtsanwälte engagieren und dann geht es los. Solche Fälle verteidigen, Kommunen wegen solcher Radwege verklagen. Auf die Kontrolle der Radwege klagen usw. das würde eine große Schwungmasse bekommen.

  • Michael Spieß

    Erschreckend, wie trotz besseren Wissens ein solches Urteil gefällt wird. Ich würde dem Radfahrer gerne etwas Zuversicht zurückgeben und etwas spenden.

    • Gardemin

      Wenn er Revision einlegen sollte, fände ich den Vorschlag gut, ein Sammelkonto einzurichten, ich melde mich, falls es zum Einspruch kommen sollte.

  • U.P.

    Nun so wie ich das rauslese handelt es sich bei besagtem Radweg laut StVO gar nicht um einen Radweg

    Aussage unter dem Bild:
    Hildeheimer Straße, Höhe Geibelstrasse
    Radwegbreite 1 Meter, Vorschrift der Regelbreite nach StVO 1,5 Meter

    Die logische Folgerung für mich ist daraus, wenn die Regeln der StVO nicht erfüllt werden kann es sich ja auch nicht um einen Radweg handeln 🙂 Und wenn der Radweg laut StVO nicht existiert gibt es ja folgerichtig auch keine Nutzungspflicht …

    Nun zum Glück muss man sich bei unserem Rechtsstaat nicht mehr wundern.

    PS:

    VOR GERICHT WIRD KEIN RECHT GESPROCHEN SONDERN EIN URTEIL

    • Gardemin

      Auf der Hildesheimer Straße wechseln sich die Qualitäten des Radweges ab. Zumeist ist er in einem zu schmalen Zustand. In dem Verfahren ging es allerdings nur am Rande um den Zustand des Radweges, der ja eine Benutzungspflicht ausweist, sondern nur um die Frage, hätte er auf die Fahrbahn ausweichen dürfen.

      • U.P.

        Ja aber das ist doch genau der Punkt – laut StVO darf der 1 Meter breite Radweg ja gar nicht als “Nutzungspflichtig” ausgewiesen werden, da er die Vorgaben der StVO nicht erfüllt.

        Somit hat der Radfahrer ja auch die Pflicht sich über die betreffenden 700m auf die Fahrbahn zu quälen.

        Wir bei uns in der Gegend haben z.B eine Verbindungsstraße zwischen zwei Dörfern, die 3,2m breit ist (ca. 1,5km lang). Ich warte hier nur auf dem Tag, an dem ein Radfahrer vor mir fährt – ein Überholen mit dem aktuell vorgeschriebenen Mindestabstand ist hier schlichtweg nicht möglich. Also heißt es dann mit 25kmh oder noch langsamer hinterher zu tuckern.

        Starre Regeln brauchen eben auch einheitliche Grundlagen – da diese aber hier in Deutschland in der Praxis nicht gegeben sind, spielt dieser ganze Regulierungswahn nur Oberflächlich eine Rolle um den Bürger wie er es auch macht im Nachhinein eins reinwürgen zu können.

        • H.S.

          Die Illegalität der Benutzungspflicht hebt sie leider nicht auf, das blaue Schild ist rechtskräftig, obwohl es keine Rechtsgrundlage hat.

          In Köln bekommt man solche illegal ausgewiesenen Radwege auch nur schwer weg. Gute Karten hat man, wenn der Weg erhebliche Schäden aufweist, denn dann kann man die Verkehrsicherungspflicht der Stadt ins Feld führen. “Schwupps” (naja, auch dann dauert das!) sind die blauen Schilder weg, denn die Sanierung des Weges wäre teurer.

        • Gert Bujack

          wenn eine Kutsche mit 10 km Geschwindigkeit auf der Strasse fährt, kann man auch nicht überholen und muß warten, bis dies gefahrlos für andere Verkehrsteilnehmer möglich ist. So ist die eindeutige Rechtslage. Fahradfahrer und Fußgänger sind gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer. Es gibt einfach keinen Paragrafen in irgendeinem Gesetz, der den Autofahrern irgendein Vorrecht einräumt. Auf normalen Strassen gibt es auch keine vom Gesetz vorgeschriebene Mindestgeschwindigkeit, die einzuhalten ist. Es gibt im Übrigen nicht einmal ein juristisches Verbot für Fußgänger auf der Strasse zu laufen. Interessant ist, daß es bis 1957 keine Geschwindigkeits-begrenzungen in geschlossenen Ortschaften gab. Tödliche Unfälle laut Statistik damals 25000!!!!

          • Achim Weiss

            Du täuschst Dich, Gerd. Radfahrer und Fußgänger sind leider keine gleichberechtigten Verkehrsteilnehmer. Fußgänger dürfen beispielsweise nicht auf der Fahrbahn laufen, sondern sie allenfalls auf dem schnellsten Wege (also rechtwinklig) überqueren. Bereits ein schräges Überqueren einer Fahrbahn ist für Fußgänger ein Verwarnungstatbestand.

            Und leider gibt es in den einschlägigen Verordnungen eine ganze Menge Bestimmungen, die Autofahrern Vorrechte einräumt (In der Realität haben sie sie ohnehin, denn gegen 2 Tonnen Blech und 250 Pferde ist ja schlecht zu argumentieren).

            Die “Radwegbenutzungspflicht” kommt ja ganz unschuldig als “Gebot” daher mit blauem Schild. In Wirklichkeit ist sie ein VERBOT, nämlich ein Verbot der Benutzung der von der Oberfläche besseren, breiteren, glatteren, schlagloch- und kreuzungsärmeren Fahrbahn.

            Schön finde ich das als Radfahrer nicht, aber so ist die Realität.

            Eben drum wäre es ja so wichtig, daß sich Fußgänger und Radfahrer gegen die Apartheid wehren.

      • M.P.

        Unglaublich wie hier das Recht für das Automobil gebeugt wird. Eigentlich müsste das Urteil zu einem riesigen Aufschrei führen. Leider haben Radfahrer im Gegensatz zu Autofahrern nur eine verschwindend kleine Lobby. Kann aus diesem Blogeintrag nicht mal jemand einen schönen Shit Storm produzieren.

        Deckt sich leider auch mit meinen Erfahrungen im Verkehr mit der Staatsgewalt. Als ich mal Anzeige erstatten wollte, weil mich ein Autofahrer auf dem S-Pedelec mit 70 in der 30er Zone überholte und als Gegenverkehr kam, gegen den Bordstein drängte, wurde ich von der Polizei auch nur abgekanzelt. “Der Autofahrer habe es eben eilig und was ich eigentlich wolle, heute früh habe sich ein Autofahrer totgefahren, ich solle sie nicht mit solchen Bagatellen belasten.” Das wenn es dumm läuft, sie auch noch mich nach so einer Aktion von der Straße hätten kratzen müssen, hat ihn nicht interessiert.
        Umgekehrt wurde ich von einem Polizisten schon angehupt und geschnitten, als ich morgens um halb sechs in Hannover auf einer völlig leeren Straße mit meinem S-Pedelec auf der Straße fuhr. Wohlgemerkt der einzige Ort wo ich mit diesem “Moped” fahren darf.

  • ROBm

    1. Gibt es in Hannover keine Radfahrverbände, die die Benutzungspflicht (nach dem was zu lesen ist, müsste meines Erachtens nach die Benutzungspflicht des Radweges von der Kommune aufgehoben werden müssen) bei der Straßenverkehrsbehörde und,- wenn das nicht von Erfolg gekrönt ist-, vor dem Verwaltungsgericht prüfen lassen können mit dem Ziel der Aufhebung?
    2. Gehört die Stadt Hannover nicht zum “erlauchten” Kreis der AGFK-Kommunen in Niedersachsen? Schon ein Armutszeugnis, wenn solche benutzungspflichtigen Radwege von der Kommune nicht überprüft und unverzüglich gändert bzw. deutlich verbessert werden!

  • typ

    Es gibt ein OLG Urteil, was das Fahren auf der Fahrbahn erlaubt, selbst wenn der Radweg benutzbar und benutzungspflichtig ist.
    Grund war in dem Urteil, das der Radfahrende ständig zwischen Radweg und Fahrbahn hätte wechseln müssen, da der Radweg mal frei und mal wieder nicht frei war. Kontinuierliches Fahren war somit nicht möglich.

    Finde das Urteil gerade leider nicht. Vielleicht hilft es jmd als Anregung für spätere (hoffentlich ausbleibende ) Fälle

  • Stefan

    Wie gehen die beiden Aussagen zusammen?
    1. “Der Beschuldigte bleibt aber weiterhin stur und erkundigt sich nach seinen Revisionsmöglichkeiten. Diese seien erst ab einem Streitwert von über 50 Euro gegeben, sie sei jetzt durch, alle haben sich zu erheben, das Urteil sei eindeutig.”
    2. “Wer den jungen Mathematiker bei einem Revisionsverfahren unterstützen möchte, kann sich gerne an mich wenden.”

    • Gardemin

      Die Richterin hatte nach der Urteilsverkündung dem Stundenten mitgeteilt, dass es normaler Weise bis 50 Euro keine Möglichkeit einer Revison gäbe, es aber eine Prüfung einfordern könne.

      • Stefan

        Okay, Danke für die Antwort.
        Ich würde mich auf die Auskünfte der Richterin nicht verlassen. Was ich als Laie so mitbekomme, wird an den Amtsgerichten schon öfter mal Unsinn geurteilt, den die höheren Instanzen dann wieder korrigieren.
        Wenn das wirklich alles wie beschrieben stattgefunden hat, dann finde ich schon das Auftreten der Richterin fragwürdig. Was geht es sie an, was der junge Mann macht und wie sein Studium läuft.

  • Arno

    Ein sehr ernüchterndes Urteil, das aber auch zeigt, welche Stellung Radfahrende in den Köpfen mancher Leute immer noch haben. Fahrräder werden als Fahrzeug nicht ernstgenommen und auf untauglich Wege verbannt. Und wenn der MIV mal warten muss, ist das schlimmer, als die Gefährdung von Radfahrenden.

    Leider herrscht selbst bei Interessenvertretungen für Radfahrende vielfach noch die Auffassung, dass nur Radwege Sicherheit bieten, ungeachtet der Tatsache das jedes Jahr an Kreuzungen etliche Menschen sterben, weil Rechtsabbieger die Radfahrenden auf dem Radweg rechts neben der Abbiegespur nicht beachten.

    Ich bin sehr gespannt, ob die Äußerung der Richterin, das Radwege dem schnellen vorankommen von Autos dienen, auch der schriftlichen Urteilsbegründung zu finden ist.

  • DS-pektiven

    Typischer Fall von deutscher Autofahrerjustiz; immerhin mal offen und ehrlich begründet mit der weit verbreiteten Stammtischmeinung; normalerweise wird da ja die “Sicherheit” vorgeschoben. Solange da irgendwelche blauen Schilder stehen, bleibt man eben – hinterher – der Willkür der Gerichte ausgesetzt.

    Leider bleibt einem eigentlich nur, gegen die Benutzungspflicht derartiger “Radwege” bereits bevor etwas passiert oder passieren könnte, rechtlich vorzugehen. Ich mache das in meiner (zum Glück weitestgehend radwegfreien) Heimat (der Pfalz) inzwischen seit rund 5 Jahren. Leider ist das ein verdammt teurer Spaß – und kostet – wenn man eben nicht jedes einzelne blaue Schild wegklagen will – eine Menge Zeit und Nerven. Leider wird es vielen Radfahrern erst dann bewusst, wenn man erwischt wird oder man einen Unfall hatte. Wenn überhaupt.

    Gedankt wird einem ein derartiges Engagement im Übrigen überhaupt nicht; zumindest ergeht es mir (als Einzelkämpfer) so. Da arbeiten sogenannte “Radfahrervertretungen” sogar mit den Verwaltungen zusammen, um noch mehr (benutzungspflichtige) Radwege zu schaffen.

  • Benjamin

    Hat sich bezüglich der Revision/Überprüfung etwas Neues ergeben?
    Weiterhin frage ich mich, ob hier in Hannover schon mal jemand versucht hat, gegen die Benutzungspflicht direkt vorzugehen? Das scheint hier unabhängig vom Zustand des Radwegs ja Standard zu sein..

  • Travis

    Eine interessante Geschichte. Es scheint so, als ob nicht nur über die konkrete Fahrbahnbenutzung des Beschuldigten geurteilt wurde, sondern auch wie er seine Freizeit verbringt und wie er sich am Verhandlungstag im Gericht verhält. Andere Kommentatoren haben hier schon zu einem Anwalt geraten.

    Ich würde allerdings von einem guten Anwalt erwarten, dass er in diesem Fall davon abrät, es wegen einer Geldbuße von EUR 25 zu einem Gerichtsverfahren kommen zu lassen.

    Es ist schade, dass die objektive Unbenutzbarkeit des Radwegs durch auf oder direkt neben dem Radweg parkende Autos nicht zu Richter und Polizist durchdringen konnte. Das Andere-Radfahrer-fahren-da-schließlich-auch-Argument funktioniert nur, weil diese anderen Radfahrer verbotenerweise über den Fußweg ausweichen. Es wird nicht gesagt, aber offenbar ist das das erwünschte Verhalten.

    Ich möchte dem Beschuldigten trotzdem vom Einlegen weiterer Rechtsmittel abraten: STVO §5(6) schreibt vor: “Wer ein langsameres Fahrzeug führt, muss die Geschwindigkeit an geeigneter Stelle ermäßigen, notfalls warten, wenn nur so mehreren unmittelbar folgenden Fahrzeugen das Überholen möglich ist.”

    Ihr wendet vielleicht ein, dass diese Pflicht bei einer vierspurigen Fahrbahn nicht besteht, weil Überholer auf die linke Spur ausweichen können. Ich bin mir da nicht so sicher. Kettler schreibt zu dieser Stelle in Recht für Radfahrer 2, S. 46:

    “Wenigstens 3 Fahrzeuge muessen dafür aufgeschlossen haben. Das Anhalten ist nur an geeigneten Stellen (Seitenstreifen, Bushaltestellenbucht, o.ä.) gefordert, an denen keine Gefährdung z.B. durch Auffahren eintritt. Auch […] führt diese Vorschrift jedoch nicht dazu, dass alle paar hundert Meter zugunsten der Autofahrer angehalten werden muss.”

    Kettler gibt eine Untergrenze der Strecke an, die man als Radfahrer den Fahrbahnverkehr aufstauen darf, aber keine Obergrenze. Die Untergrenze “Alle paar hundert Meter” interpretiere ich als 200-400m. Die Obergrenze wird je nach Fahrgeschwindigkeit des Radfahrers irgendwo zwischen 600-2000m liegen, wobei alle Nichtleistungssportler eher im unteren Viertel dieses Bereichs anzusiedeln wären. Das fände ich jedenfalls nach STVO $1 (wir behindern uns alle gegenseitig nicht mehr als unvermeidbar) gerecht.

    Wenn sich also, auch auf einer mehrspurigen Fahrbahn, deutlich mehr als 3 Fahrzeuge hinter einem Radfahrer schon seit mehr als 700m stauen, weil sie wegen der Verkehrsdichte nicht auf die linke Fahrbahn wechseln können, dann verstößt dieser Radfahrer vermutlich gegen STVO §5(6), jedenfalls dann wenn es auf dieser Strecke eine geeignete Ausweichstelle gibt.

    Dass es so war, legt die Zeugenaussage des Polizist nahe.

    Die gleiche Behinderung würde natürlich auch von einer in einem anderen Kommentar vorgebrachten Pferdekutsche ausgehen. Der Führer der Pferdekutsche hätte die gleiche Pflicht, das Überholen zu ermöglichen. Und wenn er es nicht tut, würde er genauso gegen STVO §5(6) verstoßen. Und vermutlich trotzdem nicht von der Polizei verbußgeldet werden. Ja, das ist ungerecht. So ist das Leben. Es gibt aber auch viel weniger Pferdekutschen als Radfahrer.

    Der Verstoß gegen STVO §5(6) war kein Thema im Urteil. Ich glaube, es gibt auch gar keinen dazugehörenden Bußgeldkatalogeintrag, nicht sicher.

    Mein Rat an den Beschuldigten: Ja, Du durftest hier auf der Fahrbahn fahren, der Radweg war stellenweise unbenutzbar. Lass es egal sein, dass du Richter und Polizist nicht überzeugen konntest. Du wirst im weiteren Leben feststellen, dass Du fast nie jemanden überzeugen kannst, wenn der sich schon über Dich ärgert. Auch Du hast hier vielleicht nicht alles richtig gemacht, denn Du musst ebenfalls Rücksicht nehmen, auch oder gerade auf die vereinzelten autofahrenden Arschlöcher die Dir deutlich zeigen dass ihnen Dein Leben scheißegal ist.

    Nur mit Gelassenheit kommst Du weiter ohne Dich verrückt zu machen.

  • Norbert

    Hallo! Auch wenn ich die Breite des Radweges für völlig ungenügend halte, habe ich an den Bildern nicht erkannt, wo das Problem mit den Autos war.
    Wenn es eine Fotodokumentation gab, wäre ein Bild, mit einem auf dem Radweg oder direkt am Radweg mit möglicher Türgefahr stehenden Auto, hilfreich gewesen.

    • Gardemin

      Das Problem bezieht sich auch nicht so sehr auf den Hochbahnsteig Ungerstraße. Aber durch die Standortwahl Ungerstraße werden die anderen Standorte, an denen es enger ist, vordefiniert. Eine Fotodokumentation ist uns nicht vorgelegt worden.