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Straßenumbenennungen, ein schwieriges Kapitel – heute: Hindenburgstraße

Wir in Linden kennen uns mit Straßenumbenennungen aus. Straßenumbenennung ist die einzige Entscheidung, die ein Bezirksrat treffen darf. Es sei denn, der Oberbürgermeister sieht die öffentliche Ordnung gefährdet. Nun hat auch der Bezirksrat Mitte diese seine letzte verbliebene Entscheidungsvollmacht genutzt und die Hindenburgstraße abgeschafft. Die Fangemeinde Hindenburgs ist aber in Hannover immer noch sehr groß, wie die Ratssitzung vom 30.8.2018 zeigte. Der CDU-Ratsherr Felix Semper nannte die Umbenennung “symbolischen Geschichts-Exorzismus”. Mit Teufelsaustreiberei scheint die CDU sich auszukennen. Der ehemalige Redakteur der Hannoverschen Allgemeinen, Klaus Wallbaum, setzte noch einen drauf und forderte den Oberbürgermeister auf, den Beschluss einzukassieren. Der Oberbürgermeister “müsste den Mumm haben, die Entscheidung seiner Genossen im Bezirksrat Mitte zu korrigieren” (Rundblick, 23.8.2018). Diese Aufforderung ist deshalb pikant, weil Oberbürgermeister Schostok bereits vergangenes Jahr eine vom Stadtbezirksrat Linden-Limmer demokratisch zustande gekommene Straßenbenennung einkassiert hatte.

Hier meine Rede im Rat der Landeshauptstadt Hannover am 30.8.2018, aktuelle Stunde zum Thema:
“Die Problematik von Straßenumbenennungen, verdeutlicht am Beispiel der Hindenburgstraße.”
Dr. Daniel Gardemin, Kulturpolitischer Sprecher der Grünen Ratsfraktion Hannover

Die Partei “Die Hannoveraner” ist der Meinung, eine Straßenumbenennung sei den Menschen in der Hindenburgstraße nicht zuzumuten. Ja, da gehen wir mit. Für viele sind erhebliche Umstellungen erforderlich. Geschäftsleute müssen ihre Kundschaft informieren, Privatleute ihre Visitenkarten neu drucken lassen, Behörden müssen informiert, Briefköpfe erneuert werden. Es wäre besser, wir bräuchten die Umbenennung nicht. Wir brauchen sie aber. Weil Generalfeldmarschall Hindenburg den Hitler-Faschismus in Deutschland möglich gemacht hat. Er ernannte am 30.1.1933 Hitler zum Reichskanzler. Er hätte das nicht tun müssen. Hindenburg war der Steigbügelhalter Hitlers, er hat die Diktatur ermöglicht, er hat die Demokratie zerstört.

Die Neurechten reden immer davon, man müsse auch mal einen Schlussstrich ziehen, wir können doch nicht ewig die Schuld mit uns herumtragen. Ja, dann machen Sie doch mal, schaffen Sie die Hindenburgstraße, die Beindorffstraße und wie sie alle heißen ab. Da können Sie Schlussstriche machen. Ihre verdrehte Argumentation wird überdeutlich. Es ist doch gruselig, durch eine Stadt zu gehen, in der sichtbar auf Straßenschildern die alten Nazis geehrt werden.

Wir sind froh, dass Hannover – wenn auch spät – die Debatte führt. Hannover ist eine weltoffene demokratische Stadt geworden. Das haben wir uns erarbeitet und deshalb leben hier die unterschiedlichsten Menschen friedlich miteinander. Dazu gehört auch der angemessene Umgang mit der eigenen Vergangenheit. Warum wurde Hannover die Wahlheimat Hindenburgs?
Weil Hannover die Stadt der Unterstützer war. Wir haben in Hannover Hindenburg auf Lebenszeit ein Haus in bester Lage zur Verfügung gestellt. Wir haben ihn zum Ehrenbürger gemacht, wir haben ein Hindenburg-Zimmer im Leineschloss eingerichtet, wir haben ihm gehuldigt, wir haben einen Stadtteil nach ihm benannt, wir haben ihm die Ölbilder bezahlt, wir haben eine Straße und eine Schleuse ihm zu Ehren mit seinem Namen versehen. Sie wollen diesen Personenkult weiterführen, Sie haben nichts gelernt, Sie wollen auch nichts lernen.

Sie nennen sich “Hannoveraner” und vertreten doch nur das längst untergegangene Hannover. Sie sind Geschichtsklitterer, Sie und die AfD sind wie Hindenburg Anti-Demokraten, Sie wollen das alte Hannover wiederhaben, die alten Seilschaften, die sich im Glanze des Reichspräsidenten sonnten.

Pelikanchef Fritz Beindorff zum Beispiel: er unterschrieb 1932 die Industrielleneingabe, in der Hindenburg maßgeblich aufgefordert wurde, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. Übrigens: Beindorff hat ordentlich davon profitiert. Er bereicherte sich an Zwangsversteigerungen jüdischen Eigentums. Das war die wirkliche Bilderstürmerei. Er richtete Zwangsarbeiterlager und Arbeitserziehungslager ein. So lief das damals, alle machten mit, von wegen Opfer.

Wer etwas zu sagen wagte, wie Theodor Lessing, Phliosophie-Professor an der Technischen Hochschule Hannover, der schon 1925 vor Hindenburg warnte, wurde von genau diesen deutschnationalen und völkischen Seilschaften brutal verfolgt. In Lessings Fall bis hin zur Ermordung durch die Nazischergen 1933.

Ihre aktuelle Stunde zeigt uns, dass die Rolle der Stadt Hannover im Nationalsozialismus noch deutlich der weiteren Aufarbeitung bedarf. Die Universität Hannover hat damit begonnen, Firmen beschäftigen sich mit ihrer Geschichte im Nationalsozialismus und die Stadt Hannover konzipiert den Lernort Erinnerung. Also keine Sorge, Hindenburg wird keinesfalls in Vergessenheit geraten. Nur die Bewertung seiner Person wird anders erfolgen, als es Ihnen Recht
ist. Ein Leserbrief in der HAZ vom Dienstag endet mit den Worten: “Wer den Straßennamen verteidigt, zeigt, auf welche Seite er sich stellt.” Dem können wir als Grüne nur beipflichten.