Tatort Hannover
50 Jahre Tatort, eine gruselige Erfolgsgeschichte. Und wenn es am spannensten wurde, war Hannover immer mittendrin. Kein Wunder, bei historischen Vorbildern des Eilenriederäubers Hanebuth bis zum Leineschlachter Haarmann. Und keine andere Stadt bietet bessere Kulissen als die Niedersachsenmetropole. Göttingen ist auch schön, aber eben nur schön. Zeit, den Tatort wieder dorthin zu holen, wo er hingehört.
Der aufregendste aller Tatorte war im wahrsten Sinne des Wortes eine Folge aus Hannover, “Wem Ehre gebührt”. In einer Sonderbeilage würdigt die Hannoversche Allgemeine Zeitung zum 50-jährigen Jubiläum diesen denkwürdigen Tatort. Mehr als 20.000 Menschen demonstrierten anschließend gegen die schablonenhafte Darstellung einer alevitischen Familie, die in Linden-Nord in der Struckmeyerstraße wohnt.
Überhaupt scheint Linden es dem Tatort angetan zu haben. Allein in der Folge “Wem Ehre gebührt” spielen die wichtigsten Szenen westlich der Leine. Das Ihmezentrum, der Küchengartenplatz, die Fössestraße und eben die legendäre Wohnung in der Struckmeyerstraße.
Ein wenig Nostalgie ist auch dabei, rollt Kommissarin Lindholm doch die Treppe auf der längst abgerissenen Überquerung der Spinnereistraße hinab. Wahrscheinlich wurde die Rolltreppe extra für die Dreharbeiten aktiviert. Meiner Erinnerung nach funktionierte sie nie.
Herrlich aufregend waren die Hannover-Tatorte. Niedersachsens Vorzeige-Politiker konnten sich immer wieder in ihrer Leibespostille über die ihrem Sichtfeld entsprechend unangemessene Ästhethik unseres Schmuddelstadtteils echauffieren.
Und auch die Schopenhauerstraße in Herrenhausen war im “Das Wegwerfmädchen” gut und unvergesslich der realistische Dreh im Schrebergartenmilieu in der Folge “Erntedank”. Zwischen 1974 und 1977 ermittelte Kommissar Brammer und Kommissarin Lindholm zwischen 2002 und 2017, insgesamt 29 mal in und aus Hannover (eine Auflistung findet sich hier).
Die Kritiken waren immer erfrischend und subtil, so wie die eines Zuschauers zum letzten Hannover-Fall “Holdt” 2017: “Viel Zeit wurde dramaturgisch verschwendet, um das dröge Sparkassenhilfsdirektorsmilieu zu skizzieren, das leider nur anödet. Zum Ende hin kam wenigstens etwas Spannung auf, als man zunehmend bemerkte, wie Frau Lindholm sich in den Ermittlungen verrennt. Ein paar Beobachtungen zu den Figuren: Männer kommen überwiegend als weinerliche Jammerlappen vor: der Ehemann, der Sohn, der Staatsanwalt. Kontrastierend dazu die sinnlos brutalen Täter, die dumpfen Parkplatz-Spackos und der kalte, schneidige Vater des Entführungsopfers. Ein recht blutleerer Kosmos. Auch die neue Bekanntschaft von Frau Lindholm eine völlig leere Projektionsfläche, in die man in späteren Folgen alles Beliebige hineinpacken oder die man (was ich eher glaube) einfach wieder verschwinden lassen kann. Die Frauen: Dem Opfer bleibt naturgemäß keine Zeit, Profil zu gewinnen. Die Mutter bloßes Anhängsel des Vaters, eine ratlose Raumpflegerin. Und natürlich die Konstellation mit den beiden konkurrierenden Kommissarinnen. […] Die Inszenierung von Figur und Spiegelbild war für meinen Geschmack filmisch viel zu dick aufgetragen, allein schon durch die äußerliche Ähnlichkeit der beiden Frauen wird die Parallelisierung gar zu aufdringlich und didaktisch.”
Wird Zeit, Charlotte Lindholm und Anais Schmitz mal wieder nach Hannover zu bitten.
Ein Kommentar
Jürgen Müller
Sie wohnte eine Zeit in der Ferdinand-Wallbrecht-Str. in der List. Ihr Sohn ging damals in die KiTa am De Haenplatz.
Habe Dreharbeiten an einem Abend erlebt. Es sollte eine Tagesszene sein und so wurde die Ferdi-Walli zwischen Kollenrodtstr. und Moltkeplatz gesperrt und eine künstliche Sonne per Kran über die Szene geschwenkt. In einer Nebenstr. standen mehrere große LKWs für Garderobe, Schminke, Küche, etc.
Habe damals selbst dazu gebloggt: https://ulaya.blogspot.com/2010/05/tatort-dreharbeiten-in-der-list.html