Beteiligung fängt im Stadtteil an
Protest in der Minister-Stüve-Straße
In der letzten Sitzung 2018 haben wir gleich drei grüne Anträge in den Bezirk Linden-Limmer eingebracht und beschlossen, die mehr Einwohner/innen-Beteiligung ermöglichen.
Vor allem der Konflikt um die Bebauung der ehemaligen Fläche der Continental Limmer – heute Wasserstadt genannt – hat uns in Hannover die Frage nach einer guten Beteiligung der Menschen vor Ort wieder ins Bewusstsein geholt. Hatten wir doch mit Stadtteilsanierung und Anwaltsplanung schon in den 1970er Jahren Pionierprojekte der Beteiligung, so ist in den Jahrzehnten doch einiges an Werkzeugen verschütt gegangen. Erst durch den Protest gegen die einfallslosen und fehlgelenkten Bebauungspläne der Wasserstadt, erstritten sich junge Menschen der Bürgerinitiative Wasserstadt aus Limmer Beteiligungsformate. Rückblickend wird deutlich, dass die Stadtverwaltung gut daran getan hätte, sehr frühzeitig den Rat vor Ort eingeholt zu haben. Fehlplanung und Konflikt hätten vermieden werden können. Nun ist der erste Bauabschnitt baulich noch gar nicht begonnen, da stehen schon die Planungen für die nächsten Bauabschnitte an. In dieser Phase, in der auch noch einmal über die verkehrliche Nutzung und soziale Gestaltung der Fläche gesprochen werden muss und in der es um die Erhaltung der historischen Bestandsgebäude geht, ist ein frühe Einwohner/innenbeteiligung sehr wichtig. Hierzu haben wir die Verwaltung aufgefordert, Eckpunkte der Beteiligung vorzulegen (https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/15-2756-2018).
Ein zweiter Antrag in der Weihnachtssitzung beschäftigt sich mit der Frage, was eigentlich an neuen Initiativen im Stadtbezirk entsteht. Nicht alles und alle – und das ist auch gut so – ordnen sich gleich den Strukturen des Stadtbezirks unter oder erscheinen gar im Stadtbezirksrat. Wir sind also neugierig zu erfahren, was an welchen Auseinandersetzungen und auch konflikthaften Beschäftigungen in den Quartieren passiert. Drei Initiativen quer durch den Stadtbezirk wollen wir im Stadtbezirksrat anhören. Eine Initiative, die wir einladen, ist das selbst ernannte Quartier Jamiel, eine Wortzusammensetzung aus Jacobsstraße, Minister-Stüve-Straße und Eleonorenstraße. Hier wird um Gemeinsamkeiten für eine bessere Quartiersentwicklung gedacht, verkehrlich, gemeinsinnorientiert und sozial. Wie auch anderswo im Stadtbezirk belasten Autos den öffentlichen Raum und Mieterhöhungen drücken auf ganze Hausgemeinschaften. Die andere Initiative beschäftigt sich genau mit dieser Frage, wie man eigentlich Menschen helfen kann, die von einer großen Immobiliengesellschaft förmlich überrollt werden. Das hinter dem Deisterplatz versteckte ‘Viertel im Volkspark’ aus den 1950er Jahren wird von der Vonovia GmbH fast vollständig modernisiert. Die Mieterhöhungen gehen über das bezahlbare Maß hinaus und Menschen drohen ihre Wohnungen zu verlieren. Martin Lange betreibt dort einen Nachbarschaftskiosk am Sporlederweg und hilft und vermittelt im Quartier. Als drittes soll für die ‚Limmer Nachbarschaften‘, ein vom Bundesumweltministerium gemeinsam mit den Projekten Zukunftsinseln‘ und ‚Ernährungsrat‘ unterstütztes Projekt, Thomas Köhler gehört werden (https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/15-2758-2018).
Der dritte Antrag betrifft den Bezirksrat selbst. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr spannende und auch kontroverse Themen bearbeitet. Viele Menschen sind in der Einwohner/innenfragestunde zu Wort gekommen. Die Fragestunde hat jedoch die Einschränkung, dass die meisten inhaltlichen Tagesordnungspunkte erst anschließend folgen und damit auf die eigentliche Diskussion der Bezirksratsmitglieder gar nicht Bezug genommen werden kann. Wir haben deshalb einen Antrag aus dem Bezirksrat Bothfeld-Vahrenheide übernommen, in dem, wie auch in Döhren-Wülfel, bereits seit Jahren die direkte Anhörung zu inhaltlichen Tagesordnungspunkten möglich ist. Nun können in Zukunft auch im Bezirk Linden-Limmer Interessierte ihre Ideen und Vorschläge direkt zu den diskutierten Themen beitragen (https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/15-2449-2018N1).
Da es Presseanfragen gab, zur Drucksache 15-2449/2018 “Anhörung von Einwohnerinnen und Einwohnern zu inhaltlichen Tagesordnungspunkten der Bezirksratssitzungen” folgender Hinweis: Wir wurden nach der letzten Bezirksratssitzung am 12.12.2018 gefragt, weshalb sich Bezirksbürgermeister Rainer Grube mit einer persönlichen Erklärung zu einem Antrag der grünen Bezirksratsfraktion geäußert habe.
Wir bitten, Rainer Grube hierzu persönlich zu fragen, da wir von der persönlichen Erklärung wie allen anderen Beteiligten erst nach der Diskussion zu dem entsprechenden Tagesodnungspunkt Kenntnis nehmen konnten. In der Bezirksratssitzung vom 7.11.2018 hatte die SPD um eine Rücknahme des Antrags gebeten, da sie ihn für nicht geschäftsordnungskonform hielt und sie zudem Sorgen äußerte, Bürger/innen könnten durch zu viel Beteiligung die Bezirksratssitzungen unnötig in die Länge ziehen. Wir Grünen wiesen wiesen daraufhin auf die Praxis der Stadtbezirksräte Bothfeld-Vahrenheide und Döhren-Wülfel hin, die seit vielen Jahren gute Erfahrungen mit der direkten Bürger/innen-Beteiligung zu den inhaltlichen Anträgen gemacht haben und in deren Stadtbezirksräten auch keine kommunalrechtliche Beanstandung anhängig ist. Die SPD zog den Antrag daraufhin in die Fraktion.
In der Vorbereitung auf die Bezirsratssitzung vom 12.12.2018 haben wir mit Bezirksratsmitgliedern der Stadtbezirke Bothfeld-Vahrenheide und Döhren-Wülfel die von der SPD geäußerten Vorbehalte kommunalrechtlicher und inhaltlicher Natur gesprochen. Diese versicherten uns, dass die zusätzliche Beteiligung der Bürger/innen an den inhaltlichen Tagesordnungspunkten eine Bereicherung für die Stadtbezirksräte darstelle und auch nicht zu einer zusätzlichen zeitlichen Belastung geführt habe. Da unser grüner Antrag wortgleich mit dem Beschlusstext des Bezirksrates Bothfeld-Vahrenheide (Drucksache 15-0070/2012) gestellt wurde, gehen wir auch von einer kommunalrectlichen Gleichbehandlung aus.
Nach der den Bezirksrat vorbereitenden Sitzung des Interkreises am 10.12.2018 hat mich Rainer Grube angesprochen, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD Matthias Voß, der die Sitzung des Interkreises früher verlassen musste, mich wohl noch hinsichtlich des Antrags ansprechen wolle. Diese Ansprache hat Herr Voß bis heute nicht vorgenommen. Wir haben von grüner Seite aus versucht, mit einem Änderungsantrag an unserem eigenen Antrag, die Sorgen um zu lange Sitzungszeiten zu entkräften. Der Änderungsantrag sieht eine Beschränkung auf 45 Minuten Gesamtredezeit vor. Von Seiten der SPD oder anderen Parteien kamen keine Änderungsanträge.
Wenn unser Bezirksbürgermeister in seiner persönlichen Erklärung nun äußert, es lägen “grobe handwerkliche Fehler” vor und der Antrag sei nicht mit den Regelungen der Geschäftsordnung vereinbar, so entspricht das seinen Bedenken, die er bereits auf der Bezirksratssitzung am 7.11.2018 vorgetragen hatte. Das Protokoll gibt dazu wieder: “Bezirksbürgermeister Grube erklärt, dass über den Antrag bereits im interfraktionellen Rahmen gesprochen wurde und dieser auch vorab durch die Verwaltung geprüft wurde. Das vorläufige Ergebnis ist, dass die vorgeschlagene Regelung vermutlich nicht mit der Geschäftsordnung des Rates vereinbar ist. Diese regelt abschließend das Verfahren im Rat und in den Stadtbezirksräten. Eine individuelle Geschäftsordnung ist aufgrund des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes nicht möglich. Sein Eindruck ist zudem, dass schon jetzt eine verstärkte Beteiligung im Stadtbezirksrat Linden-Limmer gegeben ist und bspw. häufig Sachverständige und AnwohnerInnen zu Themen gehört werden. Er regt an, bereits so praktizierende Stadtbezirksräte und das Rechtsamt der Landeshauptstadt Hannover zu beteiligen.” Der Bezirksbürgermeister zieht sich damit auf die Verwaltungslinie zurück, die die Beschlusskompetenz des Bezirksrates anzweifelt und dies dem Interkreis am 6.11.2018 mitgeteilt hat.
Diese Einschätzung teilen wir in der grünen Bezirsratsfraktion mehrheitlich nicht. Wir gehen von keinen groben handwerklichen Fehlern aus, da das Procedere bereits jahrelange in anderen Bezirksräten Verwendung findet. Mit unserem Antrag können Bürgerinnen und Bürger direkt zu inhaltlichen Tagesordnungspunkten ihren Diskussionsbeitrag abgeben. Wir sehen darin eine Erweiterung des demokratischen Willensbildungsprozesses und keine Einschränkung. Den Bedenken zu möglicherweise ausufernden Bezirksratssitzungen haben wir mit einem Änderungsantrag Rechnung getragen.
Wir weisen aber zugleich darauf hin, dass der Bezirksbürgermeister selbstverständlich anderer Meinung als die Mehrheit seiner Fraktion sein kann. Wir haben im Bezirksrat Linden-Limmer in dieser Wahlperiode ausdrücklich keine Koalition und auch keinen Fraktionszwang beschlossen. Wir ringen um die besseren Entscheidungen in wechselnden Mehrheiten. In diesem Fall haben sich SPD, CDU und der Bezirksbürgermeister auch inhaltlich gegen eine erweiterte Bürger/innenbeteiligung ausgesprochen. Das ist ihr gutes Recht. Der Beschluss hat aber dennoch eine Mehrheit von acht zu sechs Stimmen gefunden.
Worin der Bezirksbürgermeister allerdings doppelt irrt, ist die Feststellung, der Versuch einer Einigung wäre “am mangelnden Willen der Antragsteller” gescheitert. Zum einen ist er selbst Teil der grünen Fraktion, zum anderen hätte jede Partei oder auch Einzelperson Änderunganträge einbringen können. Die einzige Fraktion, die sich um eine Änderung bemüht hat, war die grüne Bezirksratsfraktion.
Daniel Gardemin Grüne Bezirksratsfraktion Linden-Limmer Linden, 15.12.2018